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Schule anders denken – Mutige Ideen für eine neue Bildungskultur

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Schule anders denken – Mutige Ideen für eine neue Bildungskultur

„Manchmal hilft es, laut zu träumen und dabei andere mitzunehmen: Wie würde Schule aussehen, wenn wir sie ganz neu erfinden – ohne Vorgaben, Lehrpläne oder Zwänge?
Was brauchen Kinder und Jugendliche, um wirklich zu wachsen, zu lernen und zu leben?“

Das ist ein Einstieg zu einer Blogparade von Gabriella Rauber

Der Aufruf hat mich unter anderem deshalb angesprochen, weil ich als Lerntherapeutin seit einigen Jahren an Schulen arbeite. Ich sehe direkt vor Ort, wie engagiert viele Menschen sind und wie starr teilweise unser Schulsystem ist. Mir ist wichtig, dass sich in diesem System einiges bewegt, dass Schule anders gestaltet und somit anders erlebt werden kann. Ich finde es absolut notwendig, dass an Schulen multiprofessionelle Teams arbeiten, unter anderem Lerntherapeuten und Schulpsychologen.

Und wenn ich mir, wie jetzt für diesen Artikel, Gedanken darüber mache, wie Schule anders gedacht werden kann, dann kommt das dabei heraus:

Schule anders denken

„Interesse und Freude sind Schlüssel zum erfolgreichen Lernen – sie machen aus Pflicht eine Leidenschaft.“
– Vera F. Birkenbihl

Es gibt Menschen wie Vera F. Birkenbihl, die mit einem einzigen Satz ganze Bildungswelten auf den Kopf stellen können. Ihre Worte begleiten mich seit vielen Jahren, denn sie sprechen mir aus der Seele – vor allem, wenn ich auf meine Arbeit zurückblicke.

Seit über 15 Jahren begleite ich Kinder als Lerntherapeutin. In dieser Zeit habe ich viele Gesichter gesehen: traurige, frustrierte, wütende, aufgebende. Kinder, die innerhalb unseres Schulsystems zu scheitern drohen – nicht, weil sie weniger klug sind, sondern weil sie anders lernen. Kinder beispielsweise mit Teilleistungsstörungen, ADHS, Asperger-Syndrom oder mit Verhaltensauffälligkeiten. Sie passen nicht in die starren Raster, die Schule ihnen vorgibt. Und so verlieren sie sich – in Rückzug, in Widerstand oder in Störungen des Unterrichts.

Doch ich glaube fest daran: Es geht auch anders. Schule kann ein Ort werden, an dem alle Kinder ihren Platz finden – wenn wir bereit sind, Bildung neu zu denken.

Vom Kind aus denken – ein Praxisbeispiel

Ein Schüler mit Lese-Rechtschreib-Schwäche und ADHS war der Anfang einer Idee, die heute mehr ist als ein Versuch. Dieser Junge liebte Panzer, Amerika und Eishockey. Was also lag näher, als diese Interessen zum Ausgangspunkt seines Lernens zu machen?

Er durfte Bücher über Panzer mitbringen, las mir daraus vor, und wir arbeiteten in der Lerntherapie mit dem, was ihn wirklich interessierte. Gemeinsam schauten wir uns Wortarten und Rechtschreibphänomene an. Ich schrieb mit Hilfe von KI eigens für ihn Geschichten über seine Lieblingsthemen. Seine Aufmerksamkeit war da. Nicht für mich – sondern für seine Themen. Es war, als wäre endlich jemand auf seiner Wellenlänge.

Was als lerntherapeutischer Impuls begann, fand seinen Weg in die Schule. Dank offener Lehrer durfte der Schüler nun Präsentationen über eigene Interessen halten, Auszeiten nehmen, wenn die Konzentration schwand, und seine eigenen Lernmaterialien nutzen. Schule wurde für ihn nicht zur Strafe – sondern zu einem Ort, der ihn sah und ernst nahm.

Wie Schule anders funktionieren könnte

Stellen wir uns eine Schule vor, die nicht bei Lehrplänen, sondern bei Menschen beginnt. Eine Schule, in der man Kinder zuerst fragt:

  • Was interessiert dich?
  • Was möchtest du lernen?
  • Worüber möchtest du in einem Monat mehr wissen?

Ein Kind liebt Panzer? Wunderbar – darin steckt Potenzial für Geschichte, Technik, Physik, sogar Ethik. Warum nicht dort ansetzen, wo das Feuer schon brennt? Warum nicht lernen am eigenen Lerngegenstand?

Lernen darf nicht mehr ein starrer Prozess sein, der „über“ Kinder gestülpt wird – sondern ein lebendiger Dialog. Ein Raum, in dem Neugier die Richtung vorgibt, nicht Notendruck.

Eine Schule im ganzen Dorf

Noch weitergedacht: Warum sollte Schule auf ein Gebäude begrenzt sein? Mein Traum ist eine Schule, die das ganze Viertel, das ganze Dorf mit einbezieht. Wo Handwerker, Künstler, Musiker, Informatiker, Computerfreaks, Musikbegeisterte, Naturliebhaber, Köche, Bäcker, Literaturbegeisterte, Schriftsteller und viele mehr Teil des Bildungsprozesses sind. Wo beispielsweise Menschen über gelebte Geschichte erzählen können.

Kinder könnten von echten Menschen mit echter Leidenschaft lernen – mitten im Leben. Projektarbeit in der Tischlerei, kreatives Schreiben im Buchladen, Biologie beim Imker, Technik im Repair-Café, Musik verstehen lernen bei Musikern und Musikliebhabern. Lernen, das greifbar ist, spürbar, sinnhaft.

Zusammengefasst wären das einige Ideen und Träume, wie Schule neu gedacht und gestaltet werden könnte. Was wäre, wenn wir nicht bei der Norm, sondern beim Kind anfangen würden? Wenn wir Lernwege ermöglichen, die so vielfältig sind wie die Kinder selbst?

Statt Einheitsunterricht könnte es regelmäßige Gespräche geben, in denen Schüler:innen ihre individuellen Lernziele festlegen: Was bis wann möchte ich  wissen, verstehen oder können? So entstünde Verantwortung für das eigene Lernen und echte Motivation.

Projektlernen könnte Prüfungen ersetzen – Lernen wird sichtbar durch Präsentationen, Portfolios, Videoclips oder konkrete Produkte. Der Weg zählt dabei genauso wie das Ergebnis. Dadurch rückt das Können, nicht das Bewerten in den Mittelpunkt.

In fest verankerten interesse-basierten Lernzeiten könnten Kinder ihren eigenen Fragen nachgehen. Ob Weltraum, Videospiele, Tiere, Theater oder Technik – alles bietet Potenzial für Sprache, Mathe, Naturwissenschaften und Kreativität, wenn man nur genau hinsieht.

Die Welt außerhalb des Klassenzimmers würde aktiv einbezogen: Mentoren aus der Nachbarschaft – Handwerker, Künstler, IT-Fachleute, Musiker, aber auch Menschen wie du und ich mit speziellen Begabungen und Interessensgebieten wie beispielsweise Angler, Jäger, Auto- und Motorradbastler – könnten ihr Wissen teilen und erfahrbar machen, wie Lernen in der Realität aussieht.

Statt eines Notenspiegels gäbe es Lernbiografien, die den individuellen Lernweg dokumentieren – mit Stärken, Fortschritten, Interessen und Entwicklungsschritten. So würde sichtbar, wer ein Kind ist – nicht nur, was es leistet.

Schule wäre ein Ort, an dem Kinder mitentscheiden dürfen – über Inhalte, Methoden und Projekte. So entsteht Raum für Selbstwirksamkeit, für das Gefühl: Ich kann etwas bewegen, meine Stimme zählt.

Und nicht zuletzt: Vielfalt würde gefeiert. Kinder mit ADHS, Autismus, LRS, Dyskalkulie, Kinder die hochbegabt oder hochsensibel sind; neurodivergente Kinder werden nicht als “Problemfälle”, sondern als Ressourcen gesehen, wären nicht „abweichend“, sondern wertvolle Teile einer bunten Gemeinschaft.

Vielleicht ist das noch Utopie. Aber jede Veränderung beginnt mit einer Vorstellung davon, wie es anders sein könnte. Und vielleicht – mit ein bisschen Mut – auch bald schon mit der Umsetzung.

Und wenn aus Pflicht Leidenschaft wird, dann sind wir fähig, wirklich zu lernen.

P.S.= Um den Textfluss nicht zu beeinträchtigen, wurde auf gendergerechte Doppelformen verzichtet. Selbstverständlich sind Personen jeden Geschlechts gemeint.

2 Kommentare

    16 Juni, 2025 ANTWORTEN

    Liebe Sabine,
    dein Beitrag spricht mir aus dem Herzen.

    Ich arbeite als Lerntherapeutin an verschiedenen Schulen und erlebe täglich, wie viel möglich ist, wenn unterschiedliche Professionen zusammenkommen – und wie schwer es ist, wenn Unterstützungssysteme fehlen.

    Meine Vision: Bis 2043 gehört an jede Schule ein Lerntherapeut – nicht als Ausnahme, nicht projektbasiert, sondern als fester Bestandteil eines multiprofessionellen Teams. Bildung gelingt nur gemeinsam.

    Wir brauchen keine „Wait to fail“-Strategien, sondern frühzeitige Begleitung. Einen Blick auf die Ressourcen der Kinder, nicht auf ihre Defizite. Räume, in denen sie sich zeigen und entwickeln dürfen – mit ihren ganz eigenen Stärken und Wegen.

    Schule neu denken heißt für mich auch: Beziehungen in den Mittelpunkt stellen, Vielfalt anerkennen und Unterstützung selbstverständlich machen.

    Danke für deinen Anstoß zum Weiterdenken!
    Herzliche Grüße
    Susanne

      16 Juni, 2025 ANTWORTEN

      Hallo Susanne,

      Vielen Dank für deine Worte.
      Wir teilen die selbe Vision und arbeiten beide daran, dass sie zur Realität wird.
      Ganz liebe Grüße
      Sabine

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